Digitalisierung im Verein
Status Quo, Herausforderungen und Vorteile von Digitalisierung im Verein
22.05.2021
In diesem Artikel geht es um:
- Was bedeutet digital?
-
3 Hypothesen zur Digitalisierung in Vereinen
- Demografie
- Wirtschaftlich
- Individualität und Diversität
- Möglichkeiten und Vorteile der Digitalisierung
- Checkliste für euren Digitalisierungsstart
Neue Technologien kommen stetig in unser Leben hinzu: so gut wie jede:r ist der Digitalisierung ausgesetzt. Digitalisierung ist kein kurzfristiger Trend, vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, welchem man nicht entkommen kann. 8 von 10 Deutschen nutzen inzwischen ein Smartphone und der Einfluss steige weiter (vgl. Initiative D21 e.V. 2020, S. 18), Dennoch: Nicht überall ist die Digitalisierung gleich präsent, wie der Status Quo in Vereinen zeigt. Vor welchen Herausforderungen besonders (Sport-)Vereine im Hinblick auf die Digitalisierung stehen und wie man sie lösen kann – erfährst du genau in diesem Artikel. Denn: Jeder Verein kann individuell Digitalisierung für sich nutzen! Eine praktische Checkliste für eure Digitalisierungsstrategie im Verein, ist am Ende des Artikels
Was bedeutet eigentlich „digital“ und was haben Finger damit zu tun?
Sprachwissenschaftlich leitet sich der Begriff „digital“ vom Lateinischen digitus ab. Dies bedeutet so viel wie Finger oder Zehe, was auf das Abzählen mit den Händen bzw. Fingern abziele (vgl. Raveling a) 2019) und meint ,in Ziffern umgesetzt‘, sodass durch die Funktion des Abzählens das Wort in die englische Sprache unter dem Wort digit (Zahl) kam (vgl. Konradin Medien GmbH o.J.). Das Gegenwort zu digital, ist analog. Ausgehend von den Worten digital und analog ergibt sich eine mögliche Definition von digital: Objekte von einem analogen, in einen digitalen Zustand transformieren. Der der Gehalt dieses Objekts müsse unverändert bleiben (vgl. Huppertz 2019).
Das ist zugegebenermaßen erstmal recht ernüchternd. Zehen, Finger, Briefe, E-Mails… Denn: Häufig ist mit „Digitalisierung“ eigentlich gemeint: die Automatisierung bzw. eine digitalisierte Automatisierung (vgl. Raveling a) 2019).
3 Hypothesen: Warum ist Digitalisierung in Vereinen (k)eine Herausforderung?
Wenn von Digitalisierung in Vereinen die Rede ist, kommen ganz unterschiedliche Punkte zusammen. Um mögliche Erklärungen für den Status Quo in Vereinen zu finden, müssen wir uns die Vereinsstrukturen in Deutschland genauer ansehen. Unsere Hypothesen für unseren Erklärungsversuch:
1. Digital-Level des Vorstandes bestimmt den Digital-Level eures Vereins:
Die europäische Kommission und die Initiative D21 geben mit ihrem Digitalindex jeweils den Grad der Digitalisierung von Europa bzw. des Landes Deutschland an. Die EU liegt im Durchschnitt im DESI Index bei 47,6 Punkten (vgl. European Commission 2020, S. 18) während Deutschland im Digital-Index 60 von 100 Punkten erreicht und liegt damit im oberen Mittelfeld. Dabei haben den größten Einfluss auf das Digital-Level der Bildungsgrad und das Alter (vgl. Initiative D21 e.V. 2021, S. 20, 42).
Die Entscheidungsgewalt des Vereins liegt primär beim Vereinsvorstand. Ein weiteres Entscheidungs-Instrument ist die Mitgliederversammlung. D.h. hier müsste das Thema Vereins-Digitalisierung adressiert werden. Herausforderung dabei ist jedoch häufig: Das Verständnis für Digitalisierung bzw. die Notwendigkeit dieser, fehlt vielen Vereinsvorständen aufgrund der Demografie. Denn, wenn wir das Alter und das Digital-Level nebeneinanderlegen, ergibt sich folgendes:
Natürlich ist hier keine Kausalität von Alter und Digital-Level per se gegeben. Übertragen wir jedoch diese Hinweise aus der genannten Studie auf Vereine, sieht die Situation oft so aus:
Altersgruppe: Kinder + junge Erwachsene
Digital-Level: Digital Natives / Digitale Vorreiter:innen
Verein: kaum Entscheidungsbefugnis Verein
Viele Kinder und junge Erwachsene sind in Sportvereinen Mitglied. Häufig machen sie den größten Anteil der Mitglieder aus (je nach Verein und Sportart, vgl. Zeppenfeld 2020).
Kinder sind Digital Natives – können in der Digitalisierungsstrategie eures Vereins insofern nichts ausrichten, da sie größtenteils nicht stimmberechtigt sind und auch nicht in Vorständen sitzen und darüber entscheiden könnten. Kinder und junge Erwachsene können jedoch maßgeblich zur Digitalisierung eures Vereins beitragen, bspw. in einer Themengruppe genau zum Thema Digitalisierung in eurem Verein.
Altersgruppe: Mittdreißiger - Mittfünfziger
Digital-Level: Digital Migrants / Digital Mithaltende
Verein: Selten – häufig Vorstandsmitglieder, stimmberechtigt bei Mitgliederversammlung.
Eine große Altersspanne und durchmischtes Digital-Niveau. Teilweise hohes Verständnis für Digitales: Digitale Fähigkeiten wurden selbst erarbeitet und erlernt, da sie nicht mit Digitalisierung groß geworden sind. Auch beim Thema Vereinsvorstand ist eine starke Streuung zu erkennen. Der Einfluss auf den Vorstand kann zusätzlich per Mitgliederversammlung ausgeübt werden. Hier und da bereits erste erfolgreiche Gehversuche den Verein zu digitalisieren, da Entscheidungsbefugnis im Verein und Digital-Level (teilweise) matchen.
Altersgruppe: Silberne-Goldene Jahre
Digital-Level: Digital Immigrants / Digital Abseitsstehende
Verein: Häufig Vorstandsmitglieder
Sind auch ohne Digitalisierung aufgewachsen. Überwiegend will diese Gruppe jedoch kaum bis gar nichts mit Digitalisierung zu tun haben. Vielerlei Gründe sind hier zu nennen: Angst, kaum Wissen, grundlegende Abwehrhaltung gegenüber neuen Entwicklungen etc. Teilweise ist auch ein Grundverständnis für Digitales vorhanden: Gelegenheits-Nutzer des Internets (sog. „Silver Surfer“) finden sich hier.
Lösungsvorschlag:
2. Wirtschaftlich – Opportunitätskosten
Die Vielzahl der Sportvereine in Deutschland ist gemeinnützig. Zweck dieser Vereine ist also der gemeinschaftliche, gesellschaftliche Nutzen – nicht der wirtschaftliche. Entsprechend anders sind Beitragsstrukturen und finanzielle Mittel. Frei verfügbare Budgets gibt es nur wenig.
Unsere These: Die Budgetverteilung richtet sich daher eher danach, wie direkt der Einfluss auf den Verein ist: Zum Beispiel haben Zuschüsse für Trainingslager einen direkten, positiven Einfluss auf den Verein bzw. seine Mitglieder. Alle Mitglieder profitieren davon (kurzfristig).
Daher sind es weniger die echten Kosten, die für Digitalisierung-Maßnahmen anfallen, sondern eher der (sichtbare) direkte Einfluss: Denn oft sind Digitalisierungs-Maßnahmen nur für eine Teilgruppe des Vereins relevant: z.B., Buchhaltungs-Systeme, die für eine einfachere Beitragsabrechnung genutzt werden, werden eher in erster Linie die Kassenwarte des Vereins betreffen. Dadurch findet ein Zeitgewinn statt und Aufwand wird gespart. Die Kassenwarte können sich in der Zeit anderen Vereinsaufgaben widmen. Dieser indirekte Einfluss, welcher durch die Digitalisierung-Maßnahme den gesamten Verein betrifft, wird häufig vergessen. Es handelt sich dabei um sog. Opportunitätskosten.
Opportunitätskosten sind alternative Kosten, die aufgrund einer nicht genutzten Alternative (Opportunität) entstehen. Hier ein Beispiel aus dem Vereinsbereich:
Es wird kein Budget für Trainingssoftware bereitgestellt (0,00 €) ggf. bekommen die Trainer:innen eine Aufwandspauschale: Aufwand: 10 Stunden im Monat (Listen schreiben, Anträge ausfüllen etc.: 95,00 €) Kosten, die durch Digitalisierung entstehen: z.B. 5,00 € mtl. für Sports Future Zeitgewinn für Trainer:innen: 6 Stunden im Monat, es bleiben 4 Stunden = 38,00 € Kosten für Verein Opportunitätskosten: 57,00 € bzw. 4 Stunden Zeit (95-38 € bzw. 10-6) Ziehen wir die Kosten für Sports Future (5,00€) noch ab, landen wir bei 52,00 € monatlichen Opportunitätskosten, während die tatsächlichen Kosten für Digitalisierung bei 5,00€ monatlich lägen. Der Verein könnte also jeden Monat 52,00 € sparen.
3. Individualität und Diversität
Individualität: Auf Vereinsebene ist jeder einzelne Verein sehr individuell: Verschiedene Sportarten, unterschiedliche Mitgliederzahlen, andere Prozesse – es gibt nicht „DIE“ Lösung für jeden Verein bzw. funktioniert nicht jedes Tool gleich gut.
Diversität: Auf Personenebene kommen in jedem einzelnen Verein die unterschiedlichsten Demografien und Charaktere zusammen. Damit gehen häufig auch gegensätzliche Perspektiven einher: Nicht alle sind mit allem einverstanden, Kompromisse sind selten machbar.
So können beispielsweise zwei Handballvereine trotz der gleichen Sportart überhaupt nichts gemeinsam haben außer die Sportart – vielleicht finden sich sogar hier noch Unterschiede in der Ausübung. Vielfalt ist gut! Für die Digitalisierung bedeutet dies jedoch auch teilweise Einstiegsschwierigkeiten: Prozesse etc. müssen neu gedacht und neu aufgesetzt werden – für jeden Verein. Nicht alles lässt sich gleich gut anwenden. Daher gestaltet sich gerade der Beginn in die Digitalisierung für Vereinen häufig schwierig.
Weshalb ihr trotzdem mutig voran gehen solltet:
Digitalisierung – Keine Herausforderung!
All die eben beschriebenen Punkte sind Erklärungsversuche für den aktuellen Status Quo der Digitalisierung von Vereinen in Deutschland. Weshalb dies trotzdem kein Hindernis darstellt, sondern jeder Verein digital werden kann, zeigen die mannigfaltigen Entwicklungen und Möglichkeiten durch Technologie, die jeder Verein für sich nutzen sollte:
Globale Möglichkeiten der Digitalisierung für Vereine:
- Präsenz im Internet: Über soziale Medien oder eine eigene Website
- Kommunikationstools
- Mitgliedermanagement
- Buchhaltungs-Software
- Fitnessuhren zur Pulsmessung und Gesundheitsmanagement
- digitaler Trainingsassistent (Sports Future Tool)
Vorteile der Digitalisierung für Vereine:
- Zeitersparnis
- Zeit- und Ortunabhängigkeit
- neue, andere Möglichkeiten durch neue Technologien
- Mitgliederwachstum: Online-Präsentation schafft Sichtbarkeit sowie Auffindbarkeit und erhöht wahrscheinlicher die Anzahl neue Mitglieder
- Attraktivität des Vereins steigern: Digitalisierung ist vor allem (aber nicht nur) attraktiv für jüngere Mitglieder
- … viele weitere
12 Punkte – Checkliste Digitalisierung Verein:
Diese 12 Punkte liefern euch eine gute Absprungbasis für die Digitalisierung in eurem Verein. Falls ihr bereits mit der Digitalisierung begonnen habt, findet ihr hier vielleicht neue Anregungen für euch:
Nehmt euch die Zeit und reflektiert eure aktuelle Situation:
- Welches Thema beschäftigt euch in eurem Verein am meisten?
- Was möchtet ihr verbessern oder ändern?
- Welche sind eure aktuellen Hinderungsgründe gegen Digitalisierung?
- Gibt es konkrete Hindernisse/Herausforderungen, die euch bekannt sind?
- Wie digital seid ihr bereits (Digital-Level)?
Digital zu sein, nur um digital zu sein, bringt euch nicht weiter. Daher stellt euch vor, wie und was in eurem Verein in Zukunft laufen soll
- Ziele formulieren: Was wollt ihr mit Digitalisierung konkret für euren Verein erreichen?
- Wünsche: Wie soll euer Verein in 10 Jahren aussehen?
- 1. Schritt: Was wäre am einfachsten für euch im Bereich Digitalisierung umzusetzen?
- 2. Schritt: Wo drückt der Schuh am meisten?
- 3. Schritt: Was lässt sich relativ schnell umzusetzen?
- Optional: Was wäre „nice to have”, aber ist nicht notwendig?
- Wert: Themen, die ihr für besonders wichtig oder dringend erachtet, sollten es euch wert sein Aufwand (Zeit und/oder Geld) zu investieren und Budget dafür bereitzustellen. Denkt dabei auch an die oben beschriebenen Opportunitätskosten.
- Demoversionen: Schaut euch um, nutzt verschiedene Probe-Abos oder Testzugänge und entscheidet dann, ob ihr ein Tool in eurem Verein nutzen wollt, oder erstmal nicht.
Digitalisierung betrifft auch häufig den Datenschutz. Hier gibt es einiges zu beachten, sowohl intern bei euch als auch bei der Anbieter-Auswahl. Im Internet gibt es dafür bereits umfassende Anleitungen. Ein paar Leitfragen für den Datenschutz könnten sein:
- Ist der Umgang mit Daten der digitalen Tools DSGVO-konform?
- Welche Zwecke der Datenverarbeitung braucht ihr?
- Habt ihr benötigtes Einverständnis von Mitgliedern? (z.B. in eurer Satzung formuliert oder individuelle Vollmachten)
- Beginnt im Kleinen. Ihr braucht nicht von heute auf morgen alles digitalisieren.
- Schaut nochmal auf euere Analysen, eure Planung und Ideen: Fangt bei den einfachsten Dingen an und tastet euch vor.
- Gebt der Digitalisierung in eurem Verein eine Relevanz. Adressiert das Thema z.B. in eurem Vorstand oder der Mitgliedsversammlung. So erhöhen sich die Chancen für eine Umsetzung.
- Vielleicht gibt es schon Personen in eurem Verein, die zu bestimmten Themen helfen können.
- Bildet eine Gruppe mit Freiwilligen, die sich dem Thema annehmen. Das können auch jüngere Vereinsmitglieder sein.
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Klingt banal, aber es ist vermutlich einer der wertvollsten TIpps:
Macht euch frei von Ängsten, was alles schiefgehen könnte. Seid mutig etwas Neues auszuprobieren.
- Ebenso banal wie genial: Umdenken beginnt im Kopf.
- Erkennt, dass neue Technologien neue Möglichkeiten bringen – Ruft euch das in Erinnerung und nutzt diese Möglichkeiten für euch und euren Verein!
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Für Digitalisierung im Verein braucht es keine Schulungen oder Fachexpertise. Die Devise „Learning by doing“ gilt hier, wichtig ist lediglich:
Anfangen, jetzt!
Reflektiert eure Situation und eure Maßnahmen nach einiger Zeit:
- Was habt ihr mit der Digitalisierung erreicht?
- Wie fühlt es sich an?
- Sollten noch weitere Themen hinzukommen oder andere Dinge nicht mehr verfolgt werden?
Digitalisierung kann auch euer Vereinstraining unterstützen:
Sports Future wurde genau aus diesem Grund gemacht. Schaut euch gerne auf unserer Seite um!
Quellen:
- European Commission. 2020. International Digital Economy and Society Index 2020. Abgerufen unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/i-desi-2020-how-digital-europe-compared-other-major-world-economies (zuletzt abgerufen am 19.05.2021).
- Huppertz, P. G. (2019). Digital & Digitalisierung - Bedeutung und Abgrenzung: Wie man die Begriffe richtig verwendet und was Digitalisierung und Digital überhaupt bedeuten. Abgerufen unter: https://morethandigital.info/digital-digitalisierung-begriffserklaerung-bedeutung-und-abgrenzung/ (zuletzt abgerufen am 19.05.2021).
- Konradin Medien GmbH (Hrsg.). (o.J.) Wahrig Herkunftswörterbuch: digital. Abgerufen unter: https://www.wissen.de/wortherkunft/digital (zuletzt abgerufen am 22.07.2020).
- Initiative D21 e.V. (Hrsg.). (2020). D21 DIGITAL INDEX 19 / 20: Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. Abgerufen unter: https://initiatived21.de/app/uploads/2020/02/d21_index2019_2020.pdf (zuletzt abgerufen am 20.05.2021).
- Initiative D21 e.V. (Hrsg.). (2021). D21 DIGITAL INDEX 20 / 21: Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. Abgerufen unter: https://initiatived21.de/app/uploads/2021/02/d21-digital-index-2020_2021.pdf#page=38 (zuletzt abgerufen am 19.05.2021).
- Raveling, J. a) (2019). Seit wann gibt es die Digitalisierung? Teil I: Eine Reise in die Geschichte des Computers und der Digitalisierung. Abgerufen unter: https://www.wfb-bremen.de/de/page/stories/digitalisierung-industrie40/seit-wann-gibt-es-die-digitalisierung-geschichte-teil-eins (zuletzt abgerufen am 19.05.2021).
- Zeppenfeld, B. (2020). Anteil der Bevölkerung in Deutschland mit Mitgliedschaft in einem Sportverein 2020 nach Altersgruppen. Abgerufen unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/215294/umfrage/sportvereine-mitgliedschaft-nach-altersgruppen/#:~:text=Die%20Statistik%20zeigt%20den%20Anteil,eines%20Sportvereins%20im%20Jahr%202020 (zuletzt abgerufen am 19.05.2021).